Saturday, March 21, 2015

Gretchen von Einzlkind

Exemplar:

Gretchen
Einzlkind
Heyne
Seiten: 239
ISBN: 9783453438019



Beginn:


Als Gretchen Morgenthau aufwachte, fiel ihr der Himmel auf den Kopf und es fehlte nicht viel, da wäre Gott gleich mitgefallen. Sie hatte noch zwei Tage zu leben. Vielleicht drei. Schnupfen. Unheilbar. Endstadium. Die Nase war geschwollen und purpurrot. Auch der Bauch gebar sich aufmüpfig, rumorig und von Größenwahn getrieben. Die Viren schienen aus allen Nähten zu platzen, als fühlten sie sich nicht mehr wohl in diesem Körper, als bräuchten sie Frischluft.

Handlung:

Gretchen Morgenthau – selbsternannte Legende des Theaters – muss wegen Trunkenheit am Steuer vor Gericht erscheinen. Eine Lappalie. Die Wahlengländerin kann nicht verstehen, wieso sich alle wegen 1,4 Promille aufregen und unhöflich war die Polizei auch zu ihr! 75jährig (wer dies erwähnt, dem droht zumindest Vergewaltigung und dann Ermordung... oder anders herum) steht sie vor der folgenden Wahl: entweder Gefängnis oder ein einmonatiges Theaterprojekt auf der Insel Gwynfaer nahe Island leiten und ein Stück aufführen. Nun ja, alles besser als eingesperrt zu sein. Dort angekommen, mit leichtem Gepäck (4 Überseekoffer), trifft die Frau von Welt auf eine jungfräuliche Bauernidylle. Ein Alptraum. Dies kann man nur mit Hochprozentigem ertragen. Nicht ohne Stolz erinnert sie sich an die Zeiten, in denen sie selbst die hartgesottensten Schotten unter den Tisch trinken konnte – und noch immer kann! Alt werden andere. Ihr Assistent Kyell, ein Amateur-Tierarzt, hilft ihr, sich auf der Insel zurecht zu finden und unterstützt sie bei der Planung des Theaterstücks. Natürlich alles Dilettanten, Tölpel, mit sowas kann sie sich doch nicht auseinandersetzen. Schnell ist die Leitung ihrem Regieassistenten Tule übergeben, denn dieser Kulturschock muss erst einmal verdaut werden, am Besten mit einem guten Selbstgebrannten. Nach einem dreitägigen Alkoholkoma erwacht Frau Intendatin (wie ihre engsten Freunde sie nennen) und stellt fest, dass ihr Regieassistent all ihre Planung über Bord geworfen hat und irgendeinen modernen Schund einübt, kein Peer Gynt, wie von ihr angegeben. Doch dies wird sie auf keinen Fall durchgehen lassen, denn ihre Ehre steht auf dem Spiel und Gretchen Morgenthau widerspricht so schnell keiner.

Leseeindruck:

Ein wahnsinnig intelligentes und schwer sarkastisches Buch. Gretchen erscheint als Ausgeburt der Hölle: im Herzen zutiefst anarchistisch veranlagt, verachtet sie Menschen im Allgemeinen, einige kann sie noch hinnehmen, ihre beste Freundin Fine zum Beispiel. Stur wir ein Esel läuft sie durch die Welt, schlagfertig und radikal bekommt sie immer was sie will. Eine herrliche Figur, deren Größe im Verlauf des Romans immer mehr zum Vorschein kommt. Der Sprachstil ist ironisch, frisch und herausfordernd, er zeugt von einer unglaublichen Sprachgewandtheit des Autors.

Bewertung:  ★ ★ ★

Ich habe bereits Harold verschlungen, aber Gretchen hat Einzlkinds Erstlingswerk bei Weitem übertroffen. Gretchen war so hinreißend schlagfertig und selbstverliebt, ich musste einfach wissen, was ihr nächster Schritt ist, was sie als nächstes plant und wer ihr nächstes Opfer sein wird. Denn glaubt mir, niemand bleibt vor der Frau Intendantin verschont! Kauft es, lest es, liebt es!

Monday, March 16, 2015

Die Begabte von Trudi Canavan


Exemplar:

Die Begabte
Trudi Canavan
Penhaligon
Seiten: 672
ISBN: 9783764531058



Beginn:

Die starren, verwelkten Finger des Leichnams gaben sein Eigentum nur widerstrebend her. Es kam Tyen respektlos vor, es dem Griff des Toten zu entwinden, daher arbeitete er langsam, hob sanft die Hand, wo ein geschwärzter Fingernagel sich an dem Gegenstand verfangen hatte. Er hatte die alten Leichen so oft berührt, dass er sie nicht länger als Übelkeit erregend oder angsteinflößend empfand. Ihr völlig ausgetrocknetes Fleisch hatte schon vor langer Zeit aufgehört, eine Quelle übertragbarer Krankheiten zu sein, und an Geister glaubte er nicht.


Handlung:

Tyen ist Student der Geschichte und Magie an der größten Akademien seines Landes. Bei einer archäologischen Ausgrabung entdeckt er eine Grabkammer, findet jedoch keinerlei Schätze. Das Einzige, was er entdeckt, ist ein altes Buch in den Händen des Beigesetzten. Groß ist die Enttäuschung, als er sieht, dass das Buch vollkommen leer ist. Keine der Seiten ist beschrieben, bis er beginnt Fragen in seinem Kopf zu formulieren und das Buch ihm antwortet, indem es die Sätze auf seinen Seiten erscheinen lässt. Tyen hält seinen magischen Fund zunächst noch geheim, er möchte mehr über das Buch und seine Weisheit herausfinden. Bald stellt er fest, dass es sich hierbei um eine verwandelte Frau handelt, Pergama, die von einem der mächtigsten Zauberer aller Zeiten in diese Form gebunden wurde und deren Bewusstsein darin gefangen ist. Jeder, der sie anfasst, überträgt sein ganzes Wissen an sie. Sie ist jedoch nur in der Lage direkt auf Fragen zu antworten und kann nicht lügen. Tyen teilt sich ein Zimmer in der Akademie mit seinem besten Freund Miko, den er auch in das Geheimnis des Buches einweiht. Dieser jedoch verrät ihn an seinen Professor und Tyen ist gezwungen Pergama abzugeben. Sein Professor denkt sich jedoch eine List aus, um das Buch zu stehlen und Tyen die Schuld dafür zuzuschieben. Tyen schafft es zusammen mit Pergama zu fliehen und sein großes Abenteuer beginnt.
Parallel gibt es in diesem Buch noch einen zweiten Handlungsstrang, der sich um die junge Tempelschülerin Rielle dreht. Sie stammt aus einer wohlhabenden Färber-Familie, doch das Gewerbe steht unter keinem guten Ruf, daher kämpft die Familie fortgehend um Anerkennung. Rielle hat eine besondere Fähigkeit: sie kann Schwärze sehen. Schwärze entsteht, nachdem Magie eingesetzt wurde. Dies an sich ist nicht verboten, aber es bedeutet auch, dass derjenige der Schwärze sehen kann, theoretisch auch Magie ausüben kann und dies ist nur den Priestern erlaubt und wird aufs höchste bestraft bei Missachtung. Nach einem Überfall, bei dem ein Mann versucht hatte sie zu entführen, lernt sie den Künstler Izare kennen, in den sie sich verliebt. Sie will der Schwärze auf die Spur kommen, denn der Täter bei dem Überfall meinte, dass er reingelegt wurde. Anscheinend treibt sich eine sogenannte Verführerin herum, die Menschen, die Magie in sich haben, dazu bringt diese auch auszuüben. Rielle macht sich auf die Suche nach ihr und findet sie auch. Sie befragt sie, ob es theoretisch möglich sei, eine Schwangerschaft zu verhindern und in dem selben Moment macht die Verführerin sie unfruchtbar und erklärt ihr wie sie dies mithilfe von Magie rückgängig machen kann. Somit sitzt auch sie in der Falle, denn wenn sie jemals Kinder bekommen möchte, ist Rielle nun gezwungen Magie anzuwenden. Nachdem ein Priester sie mit Izare gesehen hatte, der ihr zu dem Zeitpunkt nur Zeichenuntterricht gegeben hatte, bricht sie mit ihrer Familie und entscheidet sich für ihre Liebe und ein Leben mit ihm. Jedoch ist ihr das gemeinsame Glück nicht lang gewährt, denn die Priester finden bald raus, dass sie Magie benutzt hat, um sich wieder fruchtbar zu machen. Auch für sie bricht eine abenteuerliche Zeit auf, in der sie lernen muss, sich und ihre Magie zu entfalten.

Leseeindruck:

Dieses Buch war keineswegs eine angenehme Lektüre. Man hätte die knapp 700 Seiten gut auf weniger als die Hälfte kürzen können. Die Figur des Tyen ist unglaublich flach, unsympathisch und vollkommen emotionslos. Die ganze Geschichte um ihn herum ist nur oberflächlich beschrieben, Tiefgang sucht man hier umsonst. Es gibt keinerlei Spannungsbogen, die Geschichte ist überhaupt nicht mitreißend und eher langweilig, weil sich nichts wirklich ereignet. Insgesamt war Tyens Geschichte sehr oberflächlich und stümperhaft geschrieben. Rielles Geschichte hingegen hatte ein wenig mehr Spannung zu bieten und war insgesamt schneller in der Handlung, doch der Sinn von diesen beiden Parallelgeschichten ist mir immer noch schleierhaft. Im Gegensatz zu jeglichen anderen Büchern, in denen bei mehreren nebeneinander laufenden Geschichten, es auch zu einem Schnittpunkt kommt, wird nicht erklärt wieso diese beiden Geschichten in diesem Buch beschrieben werden. Ich habe eine Vermutung, aber das ist bloß reine Spekulation. Erfahren werde ich es wohl nie, da ich diese Trilogie nicht weiterlesen werde.


Bewertung: 

Alles in allem ein sehr schlecht konzipiertes Fantasy-Buch. Die ohnehin schon langweilige Geschichte über eine Trilogie hinweg zu strecken, finde ich recht fraglich. Ich kann dieses Buch wirklich nicht weiterempfehlen. Schade um die mehreren Stunden verschwendete Lesezeit.

Friday, March 13, 2015

Die Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchett

Die Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchett haben mich schon immer fasziniert. Was mich aber bis vor Kurzem davon abgehalten hatte, die Romane zu lesen, war die schiere Masse: mittlerweile umfasst die Reihe gut 40 Bände. Aber wo beginnen?

Was ist die Scheibenwelt?

Alle Romane dieser Reihe spielen auf der fiktiven Scheibenwelt. Diese ist, wie der Name schon erraten lässt, eine Scheibe, getragen von vier Elefanten, die auf dem Rücken der Schildkröte Groß- A'Tuin stehen, welche durchs Universum schwebt. Auf der Scheibenwelt finden sich allerlei fantastische Gestalten. Magie und Zauberei sind etwas ganz alltägliches.

Wie sind die Romane aufgebaut?

Es treten unzählige verschiedene Charaktere in dieser Reihe auf, jedoch kann man sie grob in 5 Haupthandlungsstränge auffteilen:

  1. Hexen: Hierbei geht es um die Hexen von Lancre (u.a. Oma Wetterwachs & Tiffany Weh)
  2. Zauberer: Hauptfigur ist Rincewind, aber auch die Unisichtbare Universität, die die Lehrstätte für angehende Zauberer ist, ist Mittelpunkt vieler Romane.
  3. Tod: Zusammen mit seinem Gehilfen Mort erfüllt Tod seine Arbeit. Er lebt zusammen mit seiner Adoptivtocher Ysabell, seinem Bediensteten Albert und seinem Pferd Binky.
  4. Stadtwache: Es geht um die Stadtwache von Ankh-Morpork. Hauptsächlich geht es hier um Kommandant Samuel Mumm und seinen Wachtrupp.
  5. Ankh-Morpork: Hier geht es vor allem um Geschehnisse in der Stadt selber und dem Wandel den sie durchgeht.
Es gibt auch einige Romane, die sich nicht wirklich innerhalb dieser Unterteilung einordnen lassen, da entweder in der Handlung keiner der Hauptfiguren vorkommt oder aber mehrere auftreten und eine Einteilung schwer fällt.

In welcher Reihenfolge liest man die Romane?

  1. Nach Erscheinungsjahr
  2. Nach den verschiedenen Handlungssträngen
Folgende Reihenfolge wäre dann ratsam:

Hexen: Das Erbe des Zauberers > MacBest > Total verhext > Lords und Ladies > Mummenschanz > Ruhig Blut > Kleine Freie Männer > Ein Hut voller Sterne > Der Winterschmied > Das Mitternachtskleid

Zauberer: Die Farbe der Magie > Das Licht der Fantasie > Der Zauberhut > Faust Eric > Echt Zauberhaft > Heiße Hüpfer > Wahre Helden > Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Tod: Gevatter Tod > Alles Sense > Rollende Steine > Schweinsgalopp > Der Zeitdieb

Stadtwache: Wachen! Wachen! > Helle Barden > Hohle Köpfe > Fliegende Fetzen > Das Fünfte Element > Die Nachtwächter > Weiberregiment > Klonk > Steife Prise

Ankh-Morpork: Die volle Wahrheit > Ab die Post > Schöne Scheine

Sonstige (eigenständige) Romane: Pyramiden, Einfach göttlich, Maurice, der Kater, Weiberregiment, Voll im Bilde


Womit man demnach beginnen könnte:
  • Das Erbe des Zauberers
  • Die Farbe der Magie
  • Gevatter Tod
  • Wachen! Wachen!
  • Pyramiden
  • Voll im Bilde
  • Einfach göttlich
  • Maurice, der Kater
  • Kleine Freie Männer

Mittlerweile bin ich ein großer Liebhaber dieser Serie geworden. Vor allem der magisch untalentierte, tollpatischige und humorvolle Zauberer Rincewind ist mir ans Herz gewachsen. Ihr könnt meine Lesefortschritte in meiner Discworld-Challenge mitverfolgen.

Saturday, March 7, 2015

Die Königin der Orchard Street von Susan Jane Gilman

Exemplar:

Die Königin der Orchard Street
Susan Jane Gilman
Insel Verlag
Seiten: 552
ISBN: 9783458176251


Beginn:

Wir waren gerade mal ein Vierteljahr in Amerika, als das Pferd mich umrannt. Wie alt ich da war, weiß ich nicht genau. Vielleicht sechs? Von meiner Geburt gibt's keine Einträge. Ich weiß nur noch, dass ich die Hester Street entlangrannte, auf der Suche nach Papa. Der gebleichte Himmel über mir war von Dächern und eisernen Feuerleitern eingerahmt. Tauben kreisten, Straßenhändler schrien, Hühner gackerten; und dazwischen die seltsame, wackelige Dampforgel des Leierkastenmanns. Dicke Staubwolken wogten um die Handwagen, sodass die Ladenschilder wie Fahnen hin und her schwangen. Ich hörte Getrappel, dann schlug ich hin. Einen Sekundenbruchteil lang blitzte ein Huf auf, dann grellweißer Schmerz. Dann: nichts.


Handlung:

Die kleine Malka wandert 1913 mit ihrer Familie nach Amerika aus. In Russland zu bleiben, ist für die jüdische Familie zu gefährlich geworden. Der Plan ist zuerst nach Afrika zu gehen, um dort ein Leben aufzubauen, doch ändert ihr Vater spontan seine Meinung und tauscht die Tickets um mit dem Ziel New York. Dort angekommen haust die sechsköpfige Familie in einem engen Raum zur Untermiete in der Orchard Street. Die Vorstellung von Amerika als Land, in dem jeder reich wird, in welchem die Straßen mit Gold gepflastert sind und aus den Brunnen Milch fließt, entpuppt sich als Phantasiekonstrukt der Einwanderer. Das Geld ist knapp und so machen sich die 4 jungen Töchter auf, um Arbeit zu suchen: Bella wird Putzfrau, Rose Näherin in eine Fabrik und die beiden jüngsten, Malka und Flora, beide kaum 5 Jahre alt, verdienten ihren Unterhalt damit die Nachbarn mit Gesang und Tanz zu unterhalten und kleinere Besorgungen für sie zu erledigen. Doch dann wird Malka auf der Straße vom Wagen des Eismannes Mr. Dinello überfahren, erleidet schwere Knochenbrüche und muss lange im Krankenhaus bleiben. Ihr Vater hat vor kurzem die Familie verlassen und ihre Mutter kann und will sie unter diesen Umständen nicht mehr bei sich behalten und so nimmt Mr. Dinello sie bei sich auf. Er führt sie in die Kunst der Eiscremeherstellung ein, eine Arbeit, die sie reich und berühmt machen wird. Die Dinellos werden zu Ihrer Familie, sie lässt sich taufen und bekommt den Namen Lillian Maria Dinello. Malkas Kindheit ist geprägt von Verlusten: zuerst verliert sie ihre Familie und auch viele der Dinellos fallen dem Ersten Weltkrieg und später der spanischen Grippe zum Opfer. Malka hilft von da an eifrig bei der Eisproduktion und wird zum kreativen Kopf des Unternehmens. Sie entwickelt einen Verkaufsschlager nach dem anderen. Mrs. Dinello setzt durch, dass Malka nach der Schule weiter aufs College gehen kann, wo sie auch ihren späteren Ehemann und Geschäftspartner Albert Dunkle kennenlernt. Nach ihrer Hochzeit schliessen sich die Dinellos mit ihrem größten Konkurrenten zusammen ohne Melka Bescheid zu geben und kündigen ihr. Vom Ehrgeiz gepackt, schwört sie sich, sie mit ihrem Erfolg zu übertreffen. Zusammen mit ihrem Mann baut sie eines der größten Softeisimperien Amerikas auf, das Verleumdung, die Poliohysterie und sowohl den 2. Weltkrieg als auch den Vietnamkrieg überlebt.


Leseeindruck:

Malka ist eine ungemein taffe und aufgeweckte Erzählerin. Mit Ironie und Sarkasmus beschreibt sie ihr Leben als jüdische Einwanderin und als Adoptivkind einer italienischen Familie. Eigenheiten ihrer Mitmenschen beschreibt sie auf eine so humorvolle Weise, dass man nicht anders kann, als sie ins Herz zu schließen. Sie erzählt, nun eine ältere Dame, ihre Lebensgeschichte. Wir springen immerzu von ihrer Kindheit in die gegenwärtige Zeit, in der die Steuerfahndung hinter ihr her ist und sie ein bekannter Fernsehstar. Von ihrer Schlagfertigkeit, die sie schon als Kind auszeichnete, hat sie bis zum heutigen Tage nichts eingebüßt.

Bewertung:  ★ ★ ★

Dieses Buch ist wirklich hinreißend gut geschrieben. Die Schlagfertigkeit Malkas ist so sympathisch und authentisch, dass man nicht anders kann als weiter zu lesen. Die Geschichte eines kleinen, verlassenen Einwanderermädchens, das sich mit den gewieftesten Tricks am Leben hält, zur intelligenten Geschäftsfrau, gibt ein authentisches Bild des Traumlandes Amerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der harten Realität mit der Immigranten dort konfrontiert waren.

Thursday, March 5, 2015

Delirium von Lauren Oliver



Exemplar:

Delirium
Lauren Oliver
Harper
Seiten: 522
ISBN: 9780062223685



Beginn:

It has been sixty-four years since the president and the Consortium identified love as a disease, and forty-three since the scientists perfected a cure. Everyone else in my family has had the procedure already. My older sister, Rachel, has been disease free for nine years now. She's been safe from love for so long, she says she can't even remember its symptoms. I'm scheduled to have my procedure in exactly ninety-five days, on September 3. My birthday.

Handlung:

Stell dir vor, du lebst in einer Welt, in der es keine Liebe gibt. Lena wächst in dieser Welt auf. Sie glaubt an das System, denn die Krankheit Liebe hat ihr alles genommen. Ihre Mutter beging lieber Selbstmord als sich ein viertes Mal der Behandlung davon zu unterziehen. Ab dem Moment waren sie und ihre Schwester Waisen. Aufgenommen von ihrer Tante konnten sie fast unbehelligt aufwachsen, den wessen Familienmitglieder infiziert sind, werden als Aussätzige behandelt. Natürlich gibt es auch die sogenannten "Ungültigen", die sich gegen dieses System wehren und daher aus dem System gelöscht wurden, keine Identität mehr besitzen und in der Peripherie leben. Jeder wird kurz vor seinem 18. Lebensjahr "ausgewertet": man erhält eine Punktzahl von 1-10, die angibt wie angepasst man ist. Basierend auf dieser Auswertung wird entschieden, welche Art von Ausbildung man erhält und man wird einem Partner zugewiesen, den man nach seinem Abschluss heiraten wird. Niemand, der geheilt ist, wehrt sich dagegen, denn man verspürt keinerlei Emotionen. Sie sind wie "Zombies", empfinden keine Sympathie oder Mitgefühl, geschweige denn so etwas wie Liebe. Mit Erleichterung lassen sich die Menschen heilen, denn sie glauben an die Propaganda der Obrigkeit: Liebe ist eine schwerwiegende Erkrankung, die unweigerlich mit dem Tod endet. Zeigen sich erste Symptome bei "Ungeheilten", muss sofort eingegriffen werden, damit nicht auch andere angesteckt werden. Lena verbringt ihre letzten Monate so oft es geht mit ihrer besten Freundin Hanna, denn auch Freundschaften bleiben meist nicht erhalten nach der Therapie. Hanna ist bildhübsch, wild, selbstsicher und begibt sich oft in gefährliche Situationen. Sie zweifelt am System, fühlt sich eingeengt und nicht frei. Sie beginnt auf verbotene Versammlungen zu gehen, wo Jungen und Mädchen zusammen feiern, trinken und Musik hören, die nicht vom Staat zugelassen sind. Lena wehrt sich zuerst dagegen mitzukommen, überlegt es sich jedoch anders. Dort trifft sie auf Alex, den sie bereits vorher als Wachtmann einer Anlage, während einer ihrer Joggingtouren, kenenngelernt hatte. Sie unterhalten sich lange und treffen sich auch danach immer wieder bis Lena anfängt die ersten Zeichen der amor deliria nervosa an sich wahrzunehmen. Ist dies der Anfang vom Ende?

Leseeindruck:

Die Dystopie Delirium hat mich von der ersten Seite an mitgerissen. Die Welt ist sehr glaubwürdig aufgebaut und die Charaktere individuell und lebendig beschrieben. Dank der Ich-Erzählung sitzt man mitten in den Gedanken von Lena, fühlt ihre Verwirrung, Angst und ... ihre Liebe. Der Glaube an ein falsches System, die Entdeckung, dass alles woran man glaubte eine Lüge ist, nimmt einen unheimlich mit. 

Bewertung:  ★ ★ ★ ★

Für Dystopie-Fans ein unbedingtes Muss! Ich habe lange keine so gute Serie mehr gelesen und werde mir auf jeden Fall mehr Bücher dieser Autorin zulegen. 

Thursday, February 26, 2015

Wölfe von Hilary Mantel



Exemplar:

Wölfe
Hilary Mantel
Dumont
Seiten: 757
ISBN: 9783832161934



Beginn:

"Und jetzt steh auf." Niedergestreckt, benommen, stumm; er ist gefallen, der Länge nach hingeschlagen auf die Kopfsteine des Hofes. Sein Kopf wendet sich zur Seite; seine Augen richten sich auf das Tor, als könnte jemand kommen, um ihm zu helfen. Ein einziger gut plazierter Schlag könnte ihn jetzt töten. Blut aus der Wunde an seinem Kopf rinnt ihm über das Gesicht - Ergebnis der ersten Anstrengung seines Vaters. Dazu kommt, dass sein linkes Auge blind ist; aber wenn er zur Seite blinzelt, erkennt er mit dem rechten Auge, dass sich die Naht am Stiefel seines Vaters auflöst. Der Zwirn hat sich vom Leder gelöst, und ein harter Knoten darin hat seine Augenbraue erwischt, die dadurch aufgeplatzt ist.

Handlung:

England im 16. Jahrhundert: Das Land steht kurz vor der Katastrophe. King Henry VIII. verlangt die Annulierung seiner Ehe mit seiner langjährigen Ehefrau Katharina von Aragon, um seine Geliebte Anne Boleyn zu heiraten. Es beginnt eine jahrelange Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche und dem Papst, die strikt dagegen sind. Politische Intrigen am Hofe des Königs sind an der Tagesordnung, vor allem in diesen unsteten Zeiten und keiner hat den besseren Überblick darüber als Thomas Cromwell. Als armer Sohn eines Hufschmiedes geboren, hat er sich zu einem der mächtigsten Männer am Hofe Henry VIII. hochgearbeitet. Anfänglich arbeitet er als Jurist und Tuchhändler in London und wird dann Privatsekretär des Kardinals Wosley. Dieser soll die Auflösung der Ehe des Königspaares ausführen, doch gelingt ihm dies nicht und er fällt beim König in Ungnade. Wosley werden seine Ehrentitel und Ländereien genommen und schlussendlich wird er verhaftet und stirbt kurz vor seiner wahrscheinlichen Hinrichtung an einer Krankheit. Der König jedoch schätzt Cromwells Meinung sehr und macht ihm zu seinen Privatsekretär und Schatzmeister. Die Figur Thomas Cromwells wird als eine sehr intelligente und gewissenhafte dargestellt. Bildung, Tugendhaftigkeit und Ehre sind für ihn das höchste Gut und er erzieht seine Kinder und auch seine Mündel nach diesen Tugenden. Sein Gegenspieler ist der Nachfolger Wosleys Thomas More. Dieser bekennt sich öffentlich zum Papst und erkennt auch längst nach Annes Krönung zur Königin, diese nicht als solche an. Er ist ein Tyran, terrorisiert seine Familie und stellt sie vor anderen bloß. Mit Hingabe verfolgt er Menschen, die die Bibel auf Englisch lesen, foltert diese tagelang und lässt sie dann hinrichten. Letzten Endes wird auch er hingerichtet, da er sich weigert dem König seine Treue zu schwören und sich von der katholischen Kirche abzuwenden. 

Leseeindruck:

Die Handlung an sich ist sehr spannend und mitreißend. Leider ist der Schreibstil der Autorin sehr schwierig und führt dazu, dass sich der Lesefluss oftmals sehr hinzieht. Das Buch ist wie ein Dialog geschrieben, die Sätze sind sehr kurz. Man liest zum Großteil keine Namen, nur "Er" wird immerzu erwähnt, was zu einiger Verwirrung führen kann. Auch dass es mehrere Figuren gibt, die Thomas heißen, vereinfacht die Lektüre nicht. Dieses Buch ist keine leichte Kost, aber es war definitiv die Mühe wert. 

Bewertung:  ★ ★ ★

Es hat mich schon einige Mühe und Überwindung gekostet, dieses Buch zu Ende zu lesen. Jedoch war die Handlung recht ansprechend, dass ich mich doch dazu durchringen konnte, mich weiter mit Mantels ganz eigenen Schreibstil auseinanderzusetzen. Für Historien-Anhänger empfehlenswert, man muss aber wirklich darauf hinweisen, dass es keine leichte Kost ist und viel Aufmerksamkeit vom Leser erfordert.

 

Wednesday, February 25, 2015

Die Taube von Patrick Süskind



Exemplar:

Die Taube  
Patrick Süskind
Diogenes
Seiten: 100
ISBN: 325701736

Beginn:

Als ihm die Sache mit der Taube widerfuhr, die seine Existenz von einem Tag zum anderen aus den Angeln hob, war Jonathan Noel schon über fünfzig Jahre alt, blickte auf eine wohl zwanzigjährige Zeitspanne von vollkommener Ereignislosigkeit zurück und hätte niemals mehr damit gerechnet, dass ihm überhaupt noch irgend etwas anderes Wesentliches würde widerfahren können als dereinst der Tod. Und das war ihm durchaus recht. Denn er mochte Ereignisse nicht, und er hasste geradezu jene, die das innere Gleichgewicht erschütterten und die äußere Lebensordnung durcheinanderbrachten.


Handlung:

Jonathan Noel arbeitet als Wachmann bei einer Bank in Paris seit nunmehr 30 Jahren. Sein Leben ist minutiös geplant, die Routine gibt ihm Sicherheit. Jede Minute seines Tages ist genau festgelegt, seit 3 Jahrzehnten hat sich daran nichts geändert. Er hat keine Freunde, im Gegenteil, Jonathan strebt nach Anonymität, um nicht mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Dieses Verhalten lässt sich von seinem in der Kindheit erlebten Trauma erklären: seine beiden Eltern wurden in Konzentrationslager deportiert und sind nie zurück gekommen. Jonathan und seine Schwester mussten zu einem Onkel und wurden von diesem versteckt und groß gezogen. Eines Freitagmorgens will der nun schon über fünfzigjährige sich zu seinem Waschraum auf dem Hausflur begegnen, stellt aber zu seinem Entsetzen fest, dass eine Taube vor seiner Tür ist. Panik bricht in Jonathan aus, er weiß überhaupt nicht, was er jetzt tun soll und beschließt seine Wohnung für immer zu verlassen, da die Taube ja dort nun ist! Er packt seinen Koffer und entscheidet in ein Hotel zu ziehen, er zieht seine dickste Winterkleidung an in der Hoffnung, dass er ungeschoren an der Taube vorbeikommt. Es glückt ihm und er begibt sich zu seiner Arbeit. Doch mit der Taube alleine ist es noch nicht getan. Nachdem diese ihn vollkommen aus der Bahn geworfen hatte, wird sein ganzer Tag zu einem Disaster. Er vergisst der Limousine seines Chefs das Tor zu öffnen, einen Fehler den er sich nicht verzeihen kann und er sich ab da immerzu die Frage stellt, ob ihm das nun auch morgen passieren würde. Auch sein Körper beginnt extrem auf seine starke emotionale Unruhe zu reagieren. Den ganzen Tag hat er einen wahnsinnigen Juckreiz, dem er aber nicht nachgibt, da er einerseits von Menschen umgeben ist und andererseits auch den Schmerz spüren will, weil er denkt, dass er diesen verdient hat. In seiner Dienstpause reißt er ein großes Loch in seine Hose und sein Selbsthass und sein Hass gegen die Welt wird größer und größer. Er verspürt Emotionen, die er jahrelang nicht mehr gefühlt hatte. Er begibt sich zu seinem Hotel, isst sein Abendbrot mit dem Gedanken, dass dieses sein letztes wäre, denn morgen würde er sich umbringen...

Leseeindruck:

Es handelt sich hierbei um eine wahnsinnig interessante Erzählung. Die stark traumatisierte Figur Jonathan flüchtet sich aus Selbstschutz in eine strikte Routine, die ihm Sicherheit und Halt gibt. Etwas, das ihm in seiner Kindheit genommen wurde und er nie wieder empfangen hat. Er baut sich seinen "sicheren Raum", seine Wohnung, die ihm als Rückzugsort dient und er zurückgezogen und abgeschottet von allen leben kann und schützt sich so vor allem Bösen. Umso heftiger ist es dann mitzubekommen wie fragil sein Schutzmechanismus doch ist, indem er von der alltäglichen Situation einer Taube zu begegnen, derartig in eine Krise gerät, dass es ihn bis hin zu Selbstmordgedanken treibt.

Bewertung:  ★ ★ ★ ★

Eine ausgezeichnete Lektüre: tiefgründig und kurzweilig. Man durchlebt zusammen mit Jonathan wie seine größten Ängste aus seinem tiefsten Unterbewusstein ausbrechen und sieht wie er von diesen überwältigt wird und versucht mit ihnen fertig zu werden.